Moot Court-Tradition in Düsseldorf

Im Sommer 1997 startete Frau Professor Juliane Kokott, inzwischen Generalanwältin am EuGH, als damalige Völkerrechts-Professorin an der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf den ungewöhnlichen Versuch, ein völkerrechtliches Seminar für das Wintersemester auszuschreiben, das aus der Teilnahme an einem Moot Court-Wettbewerb bestand.

Die Neugierde vieler Studenten wurde geweckt, da dieser aus den Vereinigten Staaten stammende Begriff in der deutschen Juristenausbildung zu jenem Zeitpunkt weitgehend unbekannt war. Die durch den Lehrstuhl erteilten Informationen machten dann jedoch schnell klar, dass es sich hier um eine Veranstaltung handelte, deren Anforderungen nicht mit denen eines „normalen“ Seminars vergleichbar waren.

Für die Teilnahme an den „simulierten Gerichtsverhandlungen“ waren drei Monate Arbeit notwendig, um in einem Team von 2-5 Studierenden die Schriftsätze aus Sicht beider Parteien eines fiktiven, aber wirklichkeitsnahen Falles, zu erstellen. Im Anschluss folgten weitere zwei Monate, um sich auf die Herausforderung der mündlichen Verhandlungen vorzubereiten, bei denen man vor Gerichten, bestehend aus internationalen Richtern, Anwälten und Professoren plädieren musste. Erschwerend kam hinzu, dass die jeweilige Amtssprache entweder Englisch oder Französisch war und man sich neben dem neuen Fachgebiet Völkerrecht auch noch in eine neue Fachterminologie einarbeiten musste. Somit war klar, dass die Teilnahme an einem solchen Wettbewerb in jedem Fall mit dem Verlust eines Semesters verbunden sein würde.

Dennoch war die Resonanz überwältigend. Auch wenn die Düsseldorfer Fakultät zu jenem Zeitpunkt die kleinste juristische Fakultät in Deutschland mit nur 90 Studenten pro Jahrgang war, konnten gleich drei Teams für drei verschiedene Wettbewerbe gebildet werden, die zudem sehr erfolgreich waren. So konnte das Düsseldorfer Team bei seiner ersten Teilnahme die deutsche Vorausscheidung des von der Universität Leiden zu Ehren des niederländischen Juristen Ben Telders organisierten englischsprachigen „Telders Moot Court“ gewinnen, was sie zur Teilnahme an der Finalrunde beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag berechtigte. Auch das französischsprachige Team Düsseldorfs, das beim „René Cassin“-Moot Court in Strasbourg teilnahm, überzeugte durch einen Platz unter den ersten Zehn und als bestes nicht-muttersprachliches Team in einem internationalen Teilnehmerfeld. Die dritte Delegation war beim größten und traditionellsten Völkerrechtswettbewerb, dem nach einem amerikanischen Richter und Diplomaten benannten „Philip C. Jessup-Moot Court“, am Start, bei dem für den deutschen Sieger eine Reise nach Washington verbunden mit der Teilnahme am dortigen Finale winkt.

Dieses Auftaktjahr bildete den Beginn einer inzwischen schönen Tradition an unserer Fakultät, denn in jedem Jahr ist mindestens ein Team bei einem völkerrechtlichen Moot Court-Wettbewerb beteiligt gewesen. Als Professorin Kokott nach Heidelberg wechselte, übernahm ihr Nachfolger am Lehrstuhl, Professor R. Alexander Lorz, die Aufgabe der Organisation mit großem Enthusiasmus. So konnten in der vergangenen Dekade einige schöne Erfolge verzeichnet werden; zweimal wurde die Deutsche Vorausscheidung des Telders Moot Court gewonnen (in den jeweiligen Folgejahren wurde dieser Wettbewerb dann in unserer Universität ausgerichtet), 2012 konnte ein Jessup Team nach Washington D.C. reisen und im Jahr 2014 rückte das Düsseldorfer Team in die K.O. Runden der National Rounds vor.

Doch es sind nicht diese individuellen Resultate, welche besonders hervorzuheben sind: vielmehr verbindet die Teilnehmer das unvergleichliche Gefühl, für ein Semester aus ihrem Studienalltag ausgebrochen zu sein, um als Team aus Anwaltssicht in einer fremden Sprache in einem weitestgehend unbekannten Rechtsgebiet argumentieren zu lernen und sich dabei auch noch in der mündlichen Verhandlung vor „echten“ Richtern bewähren zu können. Auf diese Weise wird eine Streitkultur entwickelt, welche durch das normale Studium nicht erworben werden könnte.

So verwundert es nicht, dass trotz des immensen Aufwandes der für einen solchen Wettbewerb notwendig ist, alle ehemaligen Teilnehmer sich rückblickend immer wieder für eine Teilnahme entscheiden würden und den Moot Court als einen der Höhepunkte ihres Studiums ansehen. Folglich sind sie alle auch gerne bereit, ihre Erfahrungen an die neuen Teams weiterzugeben. So gehören Probepleadings vor einem Richter-Panel aus ehemaligen Teilnehmern ebenso wie das järhliche DMA Get-Together mit alten- und neuen Teams aller Moot Courts mit den Förderern zur Düsseldorfer Moot Court-Tradition. Dies wird abgerundet durch eine umfassende Betreuung des Lehrstuhls für Deutsches und Ausländisches Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, bei dem viele Mitarbeiter vor allem außerhalb ihrer Arbeitszeit viel Mühe und Unterstützung in das Moot Court-Projekt investieren.